Baumgeschichte(n) mit Winterlinde

 

Für das Jahr 2016 wurde ein ganz besonderer Baum zum Baum des Jahres gewählt, nämlich die Winterlinde. Wenige Bäume haben einen so starken historischen Hintergrund wie die Winterlinde. Sie ist tief in unseren Geschichten, Gebräuchen und Liedern verwurzelt.

Die Winterlinde (Tilia cordata) ist eine der häufigsten Baumarten in Europa und hat ein sehr weites Verbreitungsgebiet. Nur im sehr kalten Norden und im sehr heißen Süden findet man sie nicht. Die Winterlinde wird im Gegensatz zu Ihrer Schwester der Sommerlinde (Tilia platiphyllos) nur ca. 25 m hoch. Jedoch hat sie eine sehr ausladende Krone und ist stark verwurzelt. Sie hat zudem kleinere Blätter als die Sommerlinde, daher kommen die englischen Namen „Large-leaved lime“ für Sommerlinde und „Small-leaved lime“ für die Winterlinde. Die Blattform ist herzförmig, weswegen sie oft auch als „Baum der Liebe“ bezeichnet wird. Die Linde ist aufgrund ihrer ausladenden Krone in Städten sehr beliebt, im Waldbau. Die Eiche neigt nämlich dazu, Astreißer zu bilden sobald der Stamm besonnt wird. Daher werden zur Stammbeschattung Linden um die Eichen gesetzt, um den Stamm zu beschatten und damit Astrein zu halten. Die Linde dient zudem als Basenpumpe für devastierte Böden. Das Laub der Linden enthält viele Mineral- und Nährstoffe und kann damit den Boden deutlich verbessern.

Oft gelobt ist der Lindenhonig mit seiner charakteristischen Frische. Für diesen Honig wird von den Bienen nicht nur der Nektar aus der Blüte, sondern auch der Honigtau von den Blättern gesammelt. Der Honigtau wird von Blattläusen produziert, indem sie Saft aus den Blättern ziehen und diesen wieder ausscheiden. Des Weiteren werden der Linde heilende Kräfte zugeschrieben. Dies wurde in einigen Bereichen auch wissenschaftlich  nachgewiesen. So werden Lindenblüten zumeist als Tee oder Aufguss bei Husten, Schwindel, Schlafstörungen und Übelkeit eingesetzt.

Linden haben eine beeindruckende Lebensdauer und können bis zu 1000 Jahre alt werden. Neben der beliebten Eigenschaft als Schattenspender wurden die Bäume früher mit Tanzböden umrundet, um die so genannten „Tanzlinden“ zu schaffen die z.B. bei Dorffesten den Mittelpunkt bildeten, heute aber leider nur noch selten zu sehen sind. Sehr oft eingesetzt wird hingegen das Lindenholz, dieses ist nämlich als Schnitzholz äußerst beliebt. So werden traditionell Fasnachtslarven oftmals aus Lindenholz gefertigt. Die kurzen Fasern und der homogene Aufbau des Holzes ermöglichen dabei außerordentliche Präzision. Ebenfalls aus Linde sind daher sehr viele Kruzifixe, Skulpturen und Vertäfelungen. Historische Bedeutung hat die Linde zudem in der Mythologie und Sagenwelt. Die bekannteste ist die Sage der Nibelungen, in der Siegfried im Drachenblut badet und damit unverwundbar wird. Nur an einer Stelle ist sein Körper angreifbar: Auf das rechte Schulterblatt hat sich ein Lindenblatt gelegt und diese Stelle damit vor dem Drachenblut geschützt. Damit ist das Lindenblatt Siegfried zum Verhängnis geworden.

Die Linde ist außerdem der Wappenbaum vieler slawischer Länder. Allen voran haben die Tschechen viele Räume im Repräsentationshaus in Prag mit Ornamenten, Schnitzereien und Intarsien in Lindenblattform verziert. Sie betrachten den Baum offiziell als Wappenbaum.